Eine Kundgebung im oberbayerischen Erding lässt eine landesweite Kontroverse hochkochen. 13.000 Menschen protestierten gegen vorzugsweise grüne Politik. Eigentlich sollte es nur um das Heizungsgesetz gehen, aber die beiden Hauptredner Markus Söder und Hubert Aiwanger knöpften sich die Grünen auf allen Ebenen vor.

Söder, bayerischer Ministerpräsident und CSU-Chef, musste gleich am Anfang ran. Da steckten viele, die zur Kundgebung wollten, noch im Stau fest. 5000 Menschen waren auf dem Volksfestplatz in Erding, als er anmoderiert wurde. Es hagelte gellende Pfiffe und störenden Trommellärm. Söder war zuerst kaum zu verstehen. Für den Lärm waren vorzugsweise rund Tausend Leute verantwortlich, die sich auf Plakaten als Reichsbürger, Impfgegner, Putin-Pazisten, etc., zu erkennen gaben – AfD-Klientel. Im Laufe seiner Rede konnte sich Söder zunehmend besser Gehör verschaffen, wobei ihm auch der weitere Zustrom von Zuschauern half. Die Störer setzten sich immer weniger durch.

Aiwanger, bayerischer Wirtschaftsminister und Freie-Wähler-Chef, kam am Ende dran. Da standen dann dicht an dicht 10.000 Menschen auf dem Platz, am Ende seiner Rede 13.000. Die Störer schafften nicht mehr als ein nerviges Grundrauschen. Aiwanger konnten sie nicht stoppen – zumal der einen guten Tag erwischte und das Publikum rhetorisch packte.

Ich stelle meine Mitschnitte vollständig zum Nachhören ein – weil die Debatte um die beiden Reden seit Tagen nicht abebbt und sie bisher im Netz nicht verfügbar sind. So hat jeder die Chance, sich sein eigenes Bild zu machen.

Das nennt man Timing! Ausgerechnet jetzt, wo in Deutschland die Debatte um die Atomkraft mit allen Finten betrieben wird, taucht Greta Thunberg auf und mischt sich ein. Haut ihren grünen Freunden in Deutschland ein böses Brett vor die Stirn und springt der von Grünen eh längst für lästig erklärten FDP bei.

Wer in der Google-Suche die Worte „Thunberg Germany Nuclear“ eintippt, bekommt in der News-Ansicht annähernd 100.000 Ergebnisse angezeigt. Medien auf dem ganzen Globus berichten.

„Tunberg Says ‚Mistake‘ For Germany to Use Coal Over Nuclear“ – France 24.

„Coal worse than nuclear plants: Thunberg“ – Blue Mountains Gazette.

„Move over, Greta: new influencer makes nuclear cool.“ – The Australien.

Und so weiter.

Die Welt kopiert nicht Deutschland, die Welt isoliert Deutschland

Nicht die Grünen schicken ihre frohe Kunde vom deutschen Energiewendewunder um die Welt, als das aller Herren Länder selig dasselbe täten. Nein: Greta sendet eine Botschaft an die deutschen Grünen, und zwar via Maischberger in deutlicher Vernehmbarkeit überall auf dem Globus. Völker der Welt, schaut auf diesen Habeck!

Natürlich ging das dann sofort social viral. Greta und Atomkraft – besser geht nicht.

Es gab Spott, Häme und Applaus. Natürlich auch und gerade von Leuten, die sonst keine Greta-Fans sind. Darüber mokierten sich Atomkraftgegner. Das sei ja Rosinenpickerei. So in der Art hatte ich es zahlreich in meiner Timeline.

Greta-Verächter freuen sich über Gretas Verrat. Na und?

Sie übersehen, dass mit Greta eine aus dem grünen Lager das eigene grüne Lager düpierte. Von innen heraus. Genau darum tut es auch so weh. Und genau darum ist die Schadenfreude so groß.

Dabei war das nicht das erste Mal. Vor längerer Zeit hatte Thunberg schon einmal Kohle und Kernkraft verglichen und Kernkraft als ungefährlicher bezeichnet.

Das war bei einem Auftritt mit Luise M. Neubauer. Neubauer widersprach damals Thunberg, die das geschehen ließ. Der Vorfall zog keine größeren Kreise. Das Thema Atomkraft war zu der Zeit abgehakt – im Sinne von: Vollständig erledigt und bei den Akten. Eine wahrnehmbare Debatte über Kernkraft gab es nicht in Deutschland. Merkel hatte das Thema ein für allemal erledigt.

Ökomodernisten reden längst mit, jetzt endlich auch hier

Dachten jedenfalls alle. Und bekamen darum erst spät mit, dass sie falsch lagen.

In den USA wechselte ein großer Teil der Ökobewegung ins Pro-Atomlager, als der Klimawandel in den Fokus geriet. Einer der Gurus dieser „Ökomoderne“ ist Steward Brand. Auch in Deutschland hatten ein paar Atom-Einsiedler überlebt, etwa Leute aus der Szene der Piratenpartei im Verein Nuklearia oder die Technikhistorikerin Anna Veronika Wendland. Auch sie wägten Risiken ab – Kernkraft versus Klima. Auch sie befanden: Kernkraft hilft.

Und jetzt, man hätte es noch vor ein paar Monaten nicht für möglich gehalten, geht genau diese Bewegung durch die Decke. Mit Merz, Industrie und Teilen der Gewerkschaften. Sogar mit Markus Söder, der vor elf Jahren mit Rücktritt von seinen Ämtern drohte, sollte die Union nicht den Ausstieg aus der Atomkraft beschließen, mithin eines durchaus Mitverantwortlichen für die heutige Misere.

Sie hat sich nicht versprochen. Sie meint das.

Und jetzt auch noch Greta. Ausgerechnet Greta. Unser aller Idol. Wir haben sie jahrelang auf Händen getragen. Sie verehrt. Waren sogar ein bisschen stolz, sie zu einer Ikone zu machen. Einem Wahrzeichen. Eines, das uns Sinn stiftet. Uns einen Platz in der ganz großen Welt verschafft. Greta hat ja vor der UNO gesprochen. Unsere Greta.

Die sich – leider auch heute – jedes Wort gut überlegt. Die routiniert ist im Umgang mit Medien aller Art. Die weiß, wann welcher Satz wirkt. Wobei egal ist, ob sie Berater um sich hat oder sich jeden Gedanken selber macht. Und darüber, wie sie ihn an den Mann bringt.

Da war Maischberger eine grandiose Idee. Der Clip, der ab Mittag via Twitter viral ging, dürfte mit Greta abgesprochen gewesen sein, das ist bei solchen Formaten üblich. Grüne Minister, Vorstände und Abgeordnete dürften ungläubig auf ihre Bildschirme gestarrt haben. Sie mögen gehofft haben, Greta habe sich verplappert. Sie würde das klarstellen. Aber nichts. Denn Greta verplappert sich nicht. Sie weiß, was sie tut.

Der Druck auf Habeck & Co. steigt jetzt massiv

Die Freude – zugegeben: auch Häme – gegenüber den verklappten Grünen war darum schon verständlich. Natürlich waren das viele, die vorher Greta verspotteten oder vollkübelten. Das ändert aber nichts daran, dass die sich über einen fetten Widerspruch mitten im Innern der Grünen und ihrer Bewegung freuen. Und sorry, logisch freuen sich politische Gegner der Grünen über einen grünen Fail. Was denn sonst, bitte?

Vermutlich wird der Jubel noch lauter, wenn sich herumspricht, was Gretas Botschaft international bedeutet.  Im Ausland, und zwar annähernd global, sind die Deutschen, speziell deutschen Grünen in Energiefragen nämlich annähernd isoliert. Mir fallen nur die Belgier ein, die da noch mitgehen. Sonst niemand. Weder andere grüne Parteien noch – erst recht – andere Regierungen.

Aus Frankreich, den Niederlanden oder Polen gab es sogar offene Kritik am deutschgemachten Anteil an der europäischen Stromknappheit, was überall die Preise steigen lässt.

The Medium is the Message

Und in dieser angespannten Lage erscheint Greta. Die weltweit noch einmal den Chor der ganzen Welt gegen deutsche Energiepolitik anschwellen lässt.

Typisch für Greta ist ja, dass sie mit Bedacht spricht und ihre Worte darum immer wirken. Das kann niemand bestreiten, auch und gerade die nicht, die sich verzweifelt fragen, warum eine schwedische Jugendliche ohne Beruf und Erfahrung ständig in Nachrichten ernst genommen wird. Die Antwort darauf: Darum. Sie funktioniert als Medium.

Grüne in der Zwickmühle

Und als solches funktioniert sie super, 55.000 Einträge bei Google News in ein paar Stunden. Glückwunsch. Das schaffen nicht viele.

Den Grünen hat Greta damit eine böse Falle gestellt.

Bleiben Sie beim Atomausstieg, dann stellen sie sich gegen Greta und den Teil der Szene, der loyaler zu ihr steht als zu den deutschen Grünen. Sowas kann mit Spaltung enden, wenn man nicht aufpasst.

Und der womöglich progressivere, jüngere und aggressive Flügel könnte Ökostrom ganz anders definieren als die altgrünen Herren Habeck und Trittin. Womöglich würde Vero Wendland bei Greta-Freunden mitmachen, womit die dann nicht nur revolutionäres Feuer, sondern auch jede Menge technischen und politischen Sachverstand hätten.

Geben die Grünen dagegen Greta nach und werden plötzlich Atompartei, dann zerlegt es sie sowieso. Der Machtflügel ist viel zu verknöchert und arrogant, um die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Schweden führt die anti-deutschgrüne Fraktion

Anders, als die schwedischen Mitgrünen. Einer von denen, Taake Aanstoot, hatte schon vor ein paar Wochen dem deutschgrünen Minister Habeck gedroht, er könne ja im schwedischen Parlament darüber abstimmen lassen, die Stromleitungen von Schweden nach Deutschland zu kappen – als Vergeltung für das unsolidarische Abschalten der Kernkraftwerke und die eigene Verantwortung für die Stromknappheit.

Aanstoot teilte am Tage der Greta-Atombotschaft einen deutschsprachigen Tweet eines Accounts namens Replanet_DACH. Er fordert die deutsche Sektion von Friday For Future auf, endlich Kernenergie zu befürworten.

Diese Schweden. Als hätten sie sich abgesprochen.

In Großbritannien passiert, was in Deutschland undenkbar ist. Ein große Gruppe der eigenen konservativen Parlamentsfraktion fordert den Rücktritt des Premierministers. Das liegt nicht an spekulativen Dingen wie britischer Mentalität, irgendwelcher Tradition, der Queen o.ä., sondern an einer einzelnen knallharten, die Demokratie stärkenden Regel im Wahlgesetz – dem Mehrheitswahlrecht.

Es erweist sich gerade in der Krise als weise Regel und gut für die Demokratie. Deren unmittelbare und kausale Folge ist ein ausnehmend selbstbewusstes Parlament. Nirgendwo sonst hat der Volkssouverän eine derart starke Vertretung. Das britische Parlament ist damit auch das krasse Gegenteil des fetten, zahnlosen und exekutivhörigen deutschen Bundestags.

„Constituency“ statt Wahlkreis

Warum das Wahlrecht so durchschlagend wirkt, ist leicht zu verstehen. Jeder Parlamentarier  im Unterhaus wurde direkt von den Bürgern in seinem Wahlkreis gewählt. Es gibt keinen anderen Weg ins Parlament als die direkte Wahl im Wahlkreis.

Darum reden britische Parlamentarier ständig von den Menschen in ihrer „Constituency“, wenn sie im Unterhaus das Wort ergreifen. Es geht immer darum, was die Wähler von diesem oder jenem Gesetzvorhaben hielten.

„Constituency“ ist ein tolles Wort. Übersetzt heißt es Wahlkreis. Aber es hat einen ganz anderen Klang. Der deutsche Wahlkreis ist nur eine fad-bürokratische territoriale Abgrenzung. Die „Constituency“ ist sprachlich mit der „Constitution“ verwandt, also der Verfassung. Die Wähler und die Verfassung sind damit real und begrifflich die alltäglich und alltäglich unübersehbare Basis der Abgeordneten.

Somit ist auch die Loyalität britischer Parlamentarier eine andere als die deutscher MdB. Sie sind von ihren Wählern direkt abhängig und damit in starker Loyalität zu den Wählern in ihrer „Constituency“.

Wähler statt Pareibürokraten

Wenn nun also der Premierminister zu allzu extravaganten Eskapaden neigt, so müssen die Abgeordneten vor allem darauf schauen, wie das in der „Constituency“ ankommen mag und was die Wähler von ihnen erwarten. Wähler erwarten in der Regel nicht tumb-linientreues Parteisoldatentum. Vielmehr dürften sie sich wünschen, ihre Vertreter täten einfach das Richtige. In Deutschland wäre das derzeit z.B., zu beschließen, die Kernkraft länger laufen zu lassen.

Auch in Deutschland gibt es direkt gewählte Wahlkreisabgeordnete, nämlich 299. Die direkt gewählten Abgeordneten sind damit in der hoffnungslosen Minderheit. Ihnen stehen 410 Kollegen gegenüber, die über Parteilisten ins Parlament rutschten.

Wer über die Liste Abgeordneter wird, hat andere Abhängigkeiten und Loyalitäten. Über seine Bestallung entscheidet ein Parteitag, nicht der Wähler. Er muss sich mit dem Funktionärskader seiner Partei gutstellen. Listenabgeordnete sind ihrer Partei und der Parteilinie verpflichtet. Die Wähler ihres Wahlkreises können ihnen völlig egal sein.

Und genau das macht den Unterschied. Listenabgeordnete folgen der Fraktionsdisziplin und der koalitionären Regierungslinie. Sie denken meist gar nicht nach, wie sie im Parlament abstimmen, sondern folgen einfach den Wünschen ihrer Oberen. Wer auffällt, macht sich unbeliebt.

Direktmandatare können im Zweifel auf ihre Parteien pfeifen. Manchmal müssen sie das sogar, um von ihren Wählern akzeptiert und wiedergewählt zu werden. Wenn eine Regierung Mist baut, dann spielt es eine zweitrangige Rolle, ob es die eigene oder die des anderen Lagers ist.

In den letzten Jahren ist in Deutschland viel über eine Wahlrechtsänderung diskutiert worden. Dabei ging und geht es immer nur um die Zahl der Parlamentssitze. Dabei wäre es viel wichtiger, darauf zu schauen, wie das Wahlrecht auf den Parlamentarismus und die Stärke der Demokratie wirkt.

Gelangweilte Listenparlamentarier blamieren die 1. Gewalt

Der derzeitige Vorschlag der Ampel-Fraktionen ist dabei der Gipfel der Unverfrorenheit. SPD, Grüne und FDP treiben damit nicht nur die Fixierung auf die Liste weiter voran, sondern wollen den Wählern gar vorschreiben, wen die zu wählen haben. Sollte eine Partei zu viele Direktmandate bekommen, so sollen einige davon einfach für ungültig erklärt werden und der Wähler für diese Fälle eine alternative Ersatzstimme abgeben. Das ist grotesk. Es macht aus der freien Wahl eine Karikatur.

SPD, Grüne und FDP sehen das natürlich anders, weil sie kaum Direktmandate besitzen. Sie müssten aufhören, über galaktischen Unfug zu schwadronieren und sich stattdessen aussichtsreiche Wahlreise aussuchen und darum kämpfen, dort einen Abgeordneten durchzubekommen. Das ist anstrengender, als in Parteigremien parteimodische Parteifloskeln zu verblasen.

Das derzeitige System mit seiner Kombination aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht wiederum taugt sowieso nicht mehr. Im Namen vermeintlicher Gerechtigkeit wurde es derart pervertiert, daß es den Bundestag auf 709 Abgeordnete aufgebläht hat. Mit der Riesenzahl zwar höchstbezahlter, aber gelangweilter und überflüssiger Abgeordneter stieg vor allem die Zahl peinlicher Tiktok-Videos aus dem Innern der 1. Gewalt im Staate.

Die wären schlagartig weg, müssten diese überflüssigen Dampfplauderer sich dem direkten Votum der Wähler ihrer Wahlkreise stellen.

Im Verein, bei der Wahl der Elternsprecher, bei Abstimmungen in Partei-Gliederungen – auf allen Ebenen demokratischer Abstimmung mischt sich das Corona-Regime jetzt schon im dritten Jahr ein. Ob das aus Sicht der Volksgesundheit unbedingt notwendig ist oder nicht will ich hier nicht diskutieren. Worum es mir stattdessen geht: Zu zeigen, wie sich aus der Corona-Politik eine demokratieschädliche Dynamik entwickelt, der sich viele nicht bewusst sind und die vielfach relativiert wird.

Beispiel: Wahl der Klassen-Elternsprecher. Bei uns ging das letztes Mal im Notverfahren. Alle Klassenzimmer waren gesperrt. Eltern durften (und dürfen nach wie vor) das Schulgebäude nicht betreten. Als einzig seuchentauglicher Raum galt die Turnhalle.

Debatten unerwünscht

Also organisierte die Schule eine Art Fließbandbetrieb: Nacheinander bekamen die Eltern jeder Klasse eine halbe Stunde zugewiesen. Debatten wurden schon in der Einladung als unerwünscht bezeichnet. Im Schnellverfahren wurden per Akklamation die Elternvertreter gewählt. Den demokratischen Formalien genüge getan, hinterher schnell nach Hause.

Beispiel: Wahl eines Vereinsvorstands. Ähnliche Regeln: Bitte keine Debatten. Der alte Vorstand schlägt Namen vor. Jemand noch einen Vorschlag? Schnell alle Positionen durchgewählt. Den demokratischen Formalien genüge getan, hinterher schnell nach Hause.

Beispiel: Kandidatenaufstellung in der Partei. Ähnliche Regeln, Ort der Versammlung: Eine Turnhalle. Überhaupt: Turnhallen sind wegen Corona zu Not-Konferenzsälen umgewidmet. Sport in Hallen war ständig verboten und ist es teils jetzt noch. Darum wohl durfte man auch in Straßenschuhen rein.

Wahlen nur als demokratische Formalie

Stühle vorschriftsmäßig mit Abstand aufgestellt. Teilnehmerzahl begrenzt. Eine Mandatarin hält eine Ansprache, der Ortsvorsitzende auch. Schnell ein paar Redebeiträge erledigt. Abstimmung. Fertig. Den demokratischen Formalien genüge getan, hinterher schnell nach Hause.

Freilich: Die aufgestellten Kandidaten sitzen jetzt vier Jahre im Bundestag. Ihre Nominierung war definitiv nur formal demokratisch. Und so sieht es derzeit überall im Land aus. In Gremien, Vereinen, Parteien – überall, wo Entscheidungen demokratisch gefällt werden.

Fatale neue Normalität

Für sich genommen mag jedes dieser Beispiele banal sein. In der Summe sind sie das aber nicht. In der Summe führen all diese kleinen Demokratie-Beschränkungen zu einem Schwund an Demokratie im Großen und Ganzen.

Diese Sorte verkürzter Demokratie fühlt sich im dritten Corona-Jahr regelrecht normal an. Erschreckenderweise finden einige diese neue Normalität angenehm. Sie ist ja auch bequem. Wer nicht mit der Mehrheit gehen will, wird einfach überhört und weggestimmt. Die Mehrheit hatte es nie besser. Nie war es leichter, die Minderheit auszublenden.

Das ist fatal. Das ist auch nicht unser verfassungsmäßiges System. Die Normalität in einer Demokratie ist streitige Debatte. Die Abstimmung ist die Entscheidung nach der Debatte, nachdem alle die Chance hatten, ihre Argumente auszutauschen.

Das Corona-Regime beschränkt das Argumentieren. Das Corona-Regime begünstigt die, die das Sagen haben. Das Corona-Regime zentralisiert die Macht.

Das Regime muss komplett verschwinden

Liegt hier der Grund dafür, dass 2022 die Frühjahrs-Normalisierung noch zäher verläuft als vergangenes und vorgegangenes Jahr? Obwohl Corona weniger gefährlich ist, obwohl Omikron für die allermeisten weniger ist als eine übliche Saisongrippe?

Dass Politiker sich in Notstandsvollmachen verlieben könnten wird seit Beginn der Pandemie befürchtet. Im dritten Pandemiejahr kommt man nicht um Erkenntnis herum, dass es so wohl gekommen ist.

Und genau darum muss das Corona-Regime beendet werden, und zwar vollständig und ohne den geringsten Rest. Der Notstand darf sich nicht normal anfühlen. Sonst geht der Schwund an Demokratie immer weiter.

Foto: Jürgen Mattern – Wikimedia Commons

Bayerns Staatsregierung möchte herausfinden, ob Globuli als Ersatz für Antibiotika taugen. Das scheint sich als ziemlich schwierig zu erweisen. Geld ist da, 1,4 Millionen Euro, und auch ein Team von Wissenschaftlern, die es gern ausgeben würden – aber bisher nicht wissen, wie sie eine Studie gestalten sollen, die einerseits die Politiker zufriedenstellt, andererseits den wissenschaftlichen Ruf nicht zu sehr ramponiert.

Um eingangs noch einmal die Basis zu legen: Homöopathie ist, wenn Apotheker z.B. ein Mittel gegen Grippe verkaufen, weil ein französischer Lazarettarzt im 1. Weltkrieg meinte, in seinem optischen Mikroskop grippeauslösende Mikroben entdeckt zu haben. Woraus wiederum irgendjemand schloss – wer und warum auch immer –, dass diese Mikroben besonders häufig in Entenlebern vorkämen.

Hä? Genau!

Viren mit Schülermikroskop entdeckt

Deshalb stellen Homöopathie-Produzenten Mittel aus Entenlebern und – klar, logisch – auch aus Entenherzen her. Mittel, von denen sie auf Basis der lazarettärztlichen Mikroskopie behaupten, sie wirkten gegen die Grippe, und zwar die echte, manchmal tödlich verlaufende.

Für dieses Mittel pulverisieren sie die Entenorgane und verdünnen sie so stark, dass pro Fläschchen kaum mal ein einziges Entenleber oder -herzmolekül vorhanden ist, was aber egal ist, weil sich das Wassergedächtnis das Entenklein merke und darum die Wirkung des entischen Bakteriums dem Globuli-Gläubigen mitteile.

Blöd an der Story ist allerdings schon der allererste Anfang. Grippe wird bekanntlich von Viren ausgelöst. Viren sind jedoch zu klein, als dass man sie mit optischen Mikroskopen sehen könnte. Das geht nur mit Raster-Elektronenmikroskopen, und die gab es im ersten Weltkrieg noch nicht, auch nicht in Feldlazaretten, nicht einmal in französischen.

Wer mir nicht glaubt: Hier die Details zur Vorgeschichte.

Damit zurück in die moderne Gegenwart, genauer: ins Jahr 2019. Da beschloss der bayerische Landtag, die Wirkung von Homöopathie bei akuten Entzündungen wissenschaftlich überprüfen zu lassen.

CSU, Freie Wähle und Grüne stimmen für Eso-Eselei

Konkret lautet der Auftrag, herauszufinden, ob Globuli anstelle von Antibiotika gegeben werden könnten. Denn dann könne man den Einsatz von Antibiotika reduzieren und womöglich Antibiotika-Resistenzen vermeiden.

Eingebracht hat den Antrag der damalige Staatssekretär, inzwischen zum Minister aufgestiegene Klaus Holetschek. Seine CSU sowie Freie Wähler und Grüne hatte er dabei auf seiner Seite. 

Seitdem ist in der Sache nicht viel passiert. Nicht nur, dass zwei Jahre nach dem Landtagsbeschluss noch kein einziges Resultat vorliegt. Es gibt bisher noch nicht einmal ein Konzept für eine Studie, mit der sich die von den Gesundheitspolitikern gewünschten Erkenntnisse gewinnen ließen.

Holetschek-Ministerium: Wir haben ein Studienkonzept!

Fragen dazu beantwortet Holetscheks Ministerium nur zögerlich. In der ersten Antwort, die ich von seinem Haus erhalte, steht, „dass derzeit die Pandemiebekämpfung im Vordergrund steht“ und die Fachabteilungen des Ministeriums darum „sehr gefordert“ seien, man bitte um Verständnis. Immerhin scheint aber ein Interview mit Minister Holetschek möglich. Die Sprecherin erkundigt sich, wann man das führen möchte.

Zur Sache teilt das Ministerium dann auf Nachfrage nach einigen Tagen mit: „Die Studienkonzeption ist abgeschlossen“. Das allerdings stimmt nicht, wie sich wenig später herausstellt.

„Es müssen alle Register gezogen werden“

Den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren – das wäre für sich genommen eine gute Idee. Minister Holetschek bemüht sich darum nach Kräften, sein esoterisches Homöopathieprojekt mit seriöser medizinischer Rhetorik aufzupeppen.

Im Landtag heißt es in einem weiteren vom ihm und Kollegen initiierten Antrag, multiresistente Keime – also Erreger, die sich auch von unterschiedlichen Antibiotika nicht mehr bekämpfen lassen – könnten bis zum Jahr 2050 „Krebs als zweithäufigste Todesursache abgelöst haben“.

Darum müssten jetzt „alle Register gezogen“ werden. Im Dezember 2021, ein Jahr nach dem ursprünglichen Studienauftrag, stockte der bayerische Landtag auf Holetscheks Antrag das Budget von ursprünglich knapp einer Million auf knapp 1,4 Millionen Euro auf. Tatsächlich dürfte der Grund wohl darin liegen, dass die knappe Million nicht genügte, um Wissenschaftler auf ein Projekt zu setzen, mit dem sie wissenschaftlich nur verlieren können.

Aber für 1,4 Millionen ließ sich dann doch was machen. Inzwischen steht fest, wen die Politik mit der Durchführung der Studie beauftragt. Es ist ein Team der Technischen Universität München (TUM) und des zur TUM gehörenden Klinikums rechts der Isar. Projektzeitraum laut Holetschek-Ministerium: ab Beginn dieses Jahres bis zum 31. Dezember 2023.

Weitere Auskünfte könnten die Projektbeteiligten geben, schrieb die Ministeriumssprecherin.

Holetschek-Ministerium irrt: Doch noch kein Studienkonzept

Können sie aber nicht.

„Unsere Wissenschaftler sind noch dabei, die Studie zu konzeptionieren“, schreibt TUM-Sprecher Ulrich Meyer. Das überrascht, denn das Holetschek-Ministerium hatte ja mitgeteilt, die Konzeption sei bereits abgeschlossen. Was stimmt jetzt? Gibt es ein Konzept für die Studie oder gibt es keines? 

Das Ministerium antwortet auf weitere Nachfrage: „Wir haben nochmal nachgehakt“, schreibt die Sprecherin. „Die IHOM-Studie wird am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München durchgeführt. Wir schlagen vor, sich mit diesen Informationen noch einmal an die dortige Pressestelle zu wenden.“ 

Studienkonzept vielleicht im Frühjahr?

Was dann aber auch nichts Neues erbringt: „Wie bereits mit meinem TUM-Kollegen Ulrich Meyer besprochen, können wir Ihnen gern im kommenden Frühjahr entsprechende Auskünfte geben“, schreibt Barbara Nazarewska, Sprecherin des Klinikums rechts der Isar. Es bleibt also dabei: Bisher ist völlig unklar, wie die politisch wohl erhoffte Wirksamkeit von Globuli gegen gefährliche Keime nachgewiesen werden könnte, auch, wenn das Ministerium etwas anderes mitteilt.

Hört man sich bei Mitarbeitern der TUM um, dann ahnt man, wo das Problem liegt. Namentlich zitieren lassen will sich niemand. Der Auftrag sei politisch gewollt und wissenschaftlich unseriös, heißt es. Es gebe längst genügend Studien über die (Nicht-) Wirksamkeit von Homöopathie. Zum Studienauftrag sei es darum nur schwer möglich, eine seriöses Design zu entwickeln, das auch ethischen Grundsätzen entspreche. 

So müsse die Studie randomisiert und doppelblind sein – sprich: Die Auswahl der Teilnehmer zufällig, wobei weder die Teilnehmer noch die Ärzte wissen dürfen, welche Patienten Antibiotika und welche Globuli verabreicht bekommen.

Globuli gegen Globuli testen – was mag da nur rauskommen?

Das werfe auch ethische Bedenken auf.  So dürften Patienten, für die Antibiotika womöglich lebensnotwendig seien, keinesfalls an der Studie teilnehmen. Sie könnten sterben, wenn sie als Studien-Probanden ein homöopathisches Zuckerkügelchen erhielten – dessen Wirksamkeit anders als bei neuentwickelten pharmazeutischen Präparaten seit Jahrzehnten als widerlegt gilt. 

Außerdem sehen sich die Entwickler mit der Frage konfrontiert, wie sie den Vergleich zwischen einem homöopathischen Präparat und einem quasi offiziellen Placebo messen sollten. Nach dem Stand der Wissenschaft würden sie damit ein homöopathisches Placebo mit einem allseits als Placebo akzeptierten Präparat vergleichen. 

Entsprechend scharf fällt die Kritik von Homöopathie-Kritikern am Vorgehen der bayerischen Gesundheitspolitiker aus. „Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Forschung zur Homöopathie zeigen allesamt, dass die Homöopathie nicht über Placeboeffekte hinaus wirkt“, sagt Norbert Aust, Sprecher des „Informationsnetzwerk Homöopathie“. „Dass man nun noch einmal öffentliche Mittel dafür aufwenden will, ist mit einem rational arbeitenden Verstand nicht zu erfassen.“ 

Ärzteverbände schweigen vorsichtshalber

Aust kritisiert auch die Technische Universität München. Dass die sich für die Studie hergebe, zeige, „wie weit die Wissenschaft bereits von der Notwendigkeit zur Einwerbung von Drittmitteln korrumpiert ist.“ Zu hoffen sei, dass die „zuständige Ethik-Kommission dieses Vorhaben ablehnen wird.“

Keine Stellungnahme wollten Bundes- und bayerische Ärztekammer abgeben. Auch die kassenärztliche Vereinigung, die sich in der Vergangenheit eher homöopathiekritisch äußerte, lehnte einen Kommentar ab.

Und das Angebot für ein persönliches Interview mit Minister Holetschek zog das bayerische Gesundheitsministerium nach meinen wiederholten Nachfragen zur Sache zurück.

Hinzufügen möchte ich eine weitere Erkenntnis, die meine Recherche erbrachte. Im Ministerium Holetschek glaubt man offensichtlich, Homöopathie helfe nicht nur gegen bakterielle Infekte, sondern auch Schäden des Corona-Virus.

Holetscheks Schwurbel-Referat macht jetzt was mit Long Covid

Darauf kam ich, als ich mich über die ausweichende erste Ausrede ärgerte, in der das Ministerium mal lässig die große Aufgabe der Pandemiebekämpfung als vorgeschaltete Entschuldigung für unwilliges Antworten ins Spiel brachte. Ich erlaubte mir dreisterweise, die darin enthaltene Aussage ernst zu nehmen.

Also: Das Ministerium schrieb, es könne eine Weile dauern, bis ich eine Antwort bekäme, weil die Fachabteilung alle „mit der Pandemiebekämpfung“ beschäftigt seien.

Alle? Zufällig weiß ich, dass Minister Holetschek noch zu seiner Zeit als Staatssekretär ein spezielles Referat für Alternativmedizin und ähnlichen Quark einrichtete, ausdrücklich auch für Homöopathie, das Referat 74 im bayerischen Gesundheitsministerium. Also wollte ich wissen, ob auch das Referat 74 gerade mit Pandemiebekämpfung beschäftigt sei.

Darauf antwortete die Pressestelle erstmal nicht, weshalb ich explizit nachfragte:

Nachfragen möchte ich auch noch einmal der Klärung halber zur Rolle des Referats 74 bei der Pandemiebekämpfung: Habe ich Sie da richtig verstanden und das Referat hat mit Corona zu tun und welche Rolle spielt es dabei ggf.?

Darauf erhielt ich folgende Auskunft:

Zu Referat 74 darf ich Ihnen mitteilen, Sie können nicht-namentlich „eine Ministeriumssprecherin“ zitieren.
„Grundsätzlich sind fast alle Referate des Hauses in der ein oder anderen Form mit der Pandemie-Bekämpfung befasst. Dazu gehört auch das Thema Post-COVID/Long-COVID.“
Wundert sich noch jemand? Immerhin empfiehlt ja auch der Apotheker des, äh, jedenfalls nicht Vertrauens Globuli gegen Corona.
Dieser Text ist ein Zwischenstand einer andauernden Recherche.

Am Morgen galt ich noch als frisch und gesund. Jetzt bin ich noch genauso gesund, aber vermutlich in Covid-Hausarrest. Genau weiß ich das nicht, denn es ist Freitagnachmittag und mein Gesundheitsamt ist nicht mehr zu erreichen. Dafür schickte mir die Apotheke, die mich  positiv schnelltestete, eine „Kundeninformation“, in der sie mir wärmstens homöopathische Globuli ans Herz legt. Nur im Fall akuter Atemnot möge ich einen Arzt aufsuchen.

Der Reihe nach.

Am Morgen: Training (noch als gesund geltend)

Gleich nach dem Aufstehen fuhr ich in mein Fitnessstudio und trainierte ca. zwei Stunden. Ich gehöre zu den privilegierten Menschen, die beim Auflegen des Kontaktchips an der Fitnessstudio-Pforte freien Eintritt bekommen, weil ich nämlich doppelt geimpft und geboostert bin. Wer das nicht ist, der muss vor dem Training einen Corona-Schnelltest absolvieren. Aber ich, wie gesagt, nicht, weil geboostert, so ist es Vorschrift.

Nach dem Training ging ich essen, dann fuhr ich zu einer Teambesprechung nach Ismaning. Allerdings sollte ich vor dem Betreten des Hauses, in dem wir uns trafen, einen PCR-Schnelltest absolvieren. Für den hatten die Kollegen einen Termin bei der dortigen Falken-Apotheke vereinbart, die ich hier namentlich nenne – warum, das wird gleich klar. Nach dem Test begann dann unser Treffen.

Vor dem Meeting: Testing

Nach einer Weile klingelte mein Handy. Eine Mitarbeiterin der Apotheke teilte mir mit, mein Test sei positiv. Also beendete ich meine Teilnahme, setzte mich ins Auto und fuhr wieder heim. Zu Hause setzte ich mich an den Computer, um zum einen das schriftliche Testergebnis der Apotheke in der Inbox abzurufen, den dazugehörigen QR-Code in meine Corona-Warnapp zu spielen und außerdem zu recherchieren, was ich jetzt zu tun hätte.

Leider war kein QR-Code dabei, sondern nur ein wie eine Urkunde gestaltetes PDF-Dokument. Außerdem eine „Kundeninformation“ für positiv Getestete. „Begleitbehandlung bei einer Covid-19-Infektion“ lautete die Überschrift. Bei Atemnot möge ich den Arzt konsultieren.  Die Apotheke empfiehlt Vitamin-C und Vitamin-D-Präparate und ein Zink-Medikament – anders als das RKI, das nichts davon empfiehlt. Das übliche Apotheker-Reklame-Geklingel.

Apotheke empfiehlt Globuli gegen Nebenhöhlenentzündung

Dann schreibt der Apotheker, Covidkranke hätten häufig erhöhte Körpertemperatur und ein mattes Körpergefühl – und empfiehlt vor allem homöopathische Globuli, und zwar nicht nur gegen unspezifisches Unwohlsein, sondern auch bei handfesten und organischen Beschwerden.

Als da wären: Kopfschmerzen, Nebenhöhlenentzündung, Fieber, Gliederschmerzen, Übelkeit und Kreislaufstörungen. Die Falken-Apotheke in Ismaning empfiehlt Covid-Kranken mit solchen Symptomen allen Ernstes esoterische Schwurbelware.

Immerhin ging dort jemand ans Telefon, als ich anrief und nachfragte, warum sie das tun. Die Antwort lautete: Es gebe eine Studie, die beweise, dass das wirkt. Ich fragte, welche Studie das sei und wo ich sie finde. Die Mitarbeiterin erklärte mir, dass sie leider gerade viele zu tun habe und darum keine Zeit mehr für mich.

Gesundheitsamt ist dann mal im Wochenende

Als nächstes suchte ich im Netz nach einer Möglichkeit, mein Gesundheitsamt zu kontaktieren und mein positives Testresultat mitzuteilen. Ich stellte fest, dass das wohl nur telefonisch geht, freitags leider nur bis 12 Uhr, am Wochenende gar nicht und also erst wieder kommenden Montag ab 8 Uhr.

Da sitze ich jetzt also – kerngesund, positiv getestet, gut im Training, offenbar hausarrestiert. Vielleicht nutze ich die Zeit und schreibe noch ein paar freche Texte gegen den Irrsinn der Corona-Politik. Zum Beispiel darüber, dass ich völlig legal auch morgen hätte trainieren dürfen, anschließend ins gut besuchte Café gehen, was man eben so alles darf als braver doppelt Geimpfter mit Booster, wenn ich heute nicht zufällig bei der Falken-Apotheke in Ismaning vorbeigeschaut hätte. Ich hätte gar nicht bemerkt, das ich erkrankt bin.

Wobei: Krank bin ich ja auch nicht, bestenfalls symptomlos infiziert.

Bonus: Corona-Medizin aus der Schwurbel-Apotheke

Für alle, die es genau wissen wollen, hier ein Anhang mit den homöopathischen Empfehlungen der Falken-Apotheke im Wortlaut – Typographie, Fettungen, Klammerbemerkungen etc. wie im Original.

Grippeähnliche Symptome mit Fieber und Gliederschmerzen können Sie naturheilkundlich begleiten:

Meteoreisen Glob. velati (3 x 10)

Infludo Tropfen (Weleda) (80 Tropfen in ein Glas Waser und über den Tag verteilt trinken) oder

Infludoron Streukügelchen 1-2-stündl. 15 Glob.

Zur Stärkung der Lunge eignen sich Bryonia/Stannum Globuli velati: stündlich 10 Globuli

Bei Nebenhöhlenentzündung mit Verschleimung:

Agropyron Globuli velati Bis zu stündlich 10 Glob.
Cochlearia amoracia 10% Salbe äußerlich auf die Nebenhöhlen 3 x tägl.
Sinupret extrakt 3 x 1
Gelomyrthol forte oder Soledum forte 3 x 1

Kopfschmerzen : (Corona bedingt)
Gelsemium / Bryonia Mischung stündlich 8 Tropfen Schmerztabletten

Übelkeit: Gentiana Magen Globuli velati 3-5 x 10 bei Übelkeit

Kreislaufstörungen mit Schwindel (ggf. auch erst später im Verlauf)

Skorodit Kreislauf Globuli velati 3 x 10 und akut bei Bedarf)
Balsamischer Melissengeist (Tropfen auf Zucker)

In der Genesungszeit und bei Erschöpfung:

Levico comp. Globuli velati (3 x 10 Glob.)
Meteoreisen Globuli velati (3 x 10 Glob.)
Vigo Loges Kps. 1 x 2 St.

 

Donauschwimmen vor dem AKW Gundremmingen

Ich war am Wochenende in der Donau schwimmen, und zwar bei Gundremmingen. Da steht ein Atomkraftwerk. Ein echtes. Es dampft oben aus dem Kühlturm. Der Wasserdampf, der da entweicht, ballt sich zu Schönwetterwolken. Es sind die einzigen Wolken am Himmel. Mir fällt Gudrun Pausewang ein. Die Wolke, ein Panik schürendes Kinderbuch, schlimmer als der Rotkäppchen-fressende böse Wolf. Eine lautlose, unheimliche, hinterhältige Wolke zieht auf und vernichtet uns alle und macht die Welt unbewohnbar. Ein apokalyptisches Märchen, das die Grünen bis heute glauben. Denn die weißen Wasserwölkchen da oben sind einfach nur hundsprimitiver Wasserdampf. Der besteht auch aus Atomen, die sich wiederum zu H2O-Molekülen gruppieren und da so schäfchenhaft aus dem Turm quellen.

Unten, im Flussbett der Donau, fließt noch mehr H2O und es ist bedeutend kühler. Aber man hält es gut darin aus. Mit ein paar Aktivisten von Nuklearia bin ich da reingesprungen. Rein in die Strömung, die uns kräftig am Atomkraftwerk vorbeizog, schön mitten durch die Sichtachse, damit wir alle aufs Bild passten: Die Schwimmer, die Donau, das Kraftwerk und ein bisschen Wolke.

Wahrscheinlich bin ich jetzt für immer verstrahlt. Mir hat ja kürzlich jemand gesagt, ich sei neuerdings genetisch umprogrammiert, und zwar wegen meiner Corona-Impfung. Da hatte ich der betreffenden Person von meinem ersten Shot erzählt. Mein Gegenüber bedauerte, dass meine Gene nun auf ewig verändert sein. Ich antwortete, es sei nur AstraZeneca gewesen, ein Vectorimpfstoff, nix mit Gentechnik. Das Gegenüber antwortete, das würden die mir nur sagen. Das sei ganz anders. Ich würde es erleben. Knapp zwei Monate später erzählte ich von meiner florierenden Biontech-Aktie und von meinem zweiten Shot mit Moderna. Nacktes Entsetzen war die Reaktion. Wie ich mit so etwas Geschäfte machen könne.

Nuklear und geimpft: Förchtet Euch!

Wir Deutschen sind, was Aberglauben betrifft, offenbar ein bisschen speziell. Atomkraft ist Märchenthema mit Realbezug, seit die Pioniere der Anti-AKW-Bewegung seinerzeit die lachende Sonne mit „Atomkraft – Nej tak“ aus Dänemark mitbrachten. Einer von denen war Baldur Springmann, ein Nazi, SA-Mann, aber auch Öko-Bauer und einer der Gründer der grünen Partei. Springmann wird in seiner Bedeutung für Denkmuster des nationalgrünen Deutschtums schwer unterschätzt. Was er an wirrer Mystik in die Welt setzte, schimmelt in grünen Hirnen bis heute lebendigst vor sich hin.

Bei mir in Oberbayern kämpfen sie gegen die Aufklärung besonders heftig an. Unsere Grünen hier gehören zum harten Kern der Mutter-Erde-Fraktion mitsamt ihrem kotzwürdigen Antisemitismus. Wie die wahren Taliban sind sie stets auf der Suche nach noch mehr Reinheit, reiner als rein. Der diesjährige Wahlkampf hat einen regelrechten Überläuferstrom zur national-mystizierenden Querdenker-Partei „Die Basis“ ausgelöst. Diese Leute sind echte Grüne, nur eben noch irrer. Demnächst mehr dazu auf diesem Blog.

Mögen sie sich bis dahin an diesem großartigen Bild ergötzen, das mich, zweifach geimpft, mit Vector- und mRNA-Präparat, schwimmend in der Donau direkt vor dem AKW Gundremmingen zeigt. Hach! Wie wundervoll die Isotope mich durchströmen, wie kregel die DNA-Stränge sich in mir winden. Wie wohlig warm das nukleare Feuer in mir lodert. Wie das Donauwasser (höchstens 17 Grad) die Hitze meiner Hirnwindungen kühlt.

Fürchtet Euch, Ihr Schwurbler! Denn meine Blicke strahlen jetzt neutronisch.

Da jammert der Staat einerseits, die Bürger würden angesichts sinkender Corona-Zahlen impfmüde. Termine sind in den Impfzentren seit kurzem sogar für denselben Tag möglich. Endlich scheint auch genügend Impfstoff vorrätig zu sein. Zugleich droht der Bundesgesundheitsminister mit Wechselunterricht nach den Sommerferien. Täglich warnen Politiker und Medien vor der „gefährlichen Delta“-Variante. Wie gut, dass frische Studien Klarheit bringen, wie sich „Delta“ gut bekämpfen ließe. Wie fantastisch, dass das Robert-Koch-Institut und seine Ständige Impfkommission (Stiko) auf dem Stand der Wissenschaft sind und entsprechende Empfehlungen aussprechen, auch für die Zweitimpfung. Aber wenn man denkt, es könne jetzt mit Tempo losgehen, denkt sich die Bürokratie in Rosenheim: Nö.

Termin klappt. Aber vor Ort wird es kompliziert

Vergangenen Freitag las ich in einem Artikel der Welt, dass die Stiko als Zweitimpfung nach einem ersten Schuss AstraZeneca ein mRNA-Präparat wie das von Biontech empfehle (–> Quelle). Man muss ein bisschen weiter lesen als nur Überschrift und ersten Satz und findet dann detaillierte Infos. Ich habe später auch die entsprechende Empfehlung auf der Seite des Robert-Koch-Instituts gefunden, aber dazu gleich mehr. Jedenfalls habe ich mich von unterwegs gleich für den nächstmöglichen Termin beim Rosenheimer Impfzentrum angemeldet – der war dann auch am selben Tag, 2. Juli 2021 um 16.45 Uhr. Ich war pünktlich da.

Covid Impfstoff

Impfstoff ist endlich da. Aber das Impfzentrum Rosenheim rückt ihn nicht raus

Am Empfangsschalter erklärte ich der Mitarbeiterin die Lage: Am 5. Mai hat mein Hausarzt mir als Erstimpfung AstraZeneca gespritzt. Das ist acht Wochen her. Nach damaliger Lage wäre eine zweite Dosis mit Astra zwölf Wochen später fällig. Nach heutiger Lage dagegen empfiehlt die Stiko eine Zweitdosis Biontech, und zwar schon nach ab vier Wochen. So schilderte ich es der Mitarbeiterin. Die versuchte, die Konstellation in ihren Computer einzugeben. Sie holte dann eine Kollegin zu Hilfe, die dann einen Arzt und der noch einen, der so etwas wie der Chef gewesen sein musste.

Letzterer behauptete freiweg, es gebe diese Stiko-Empfehlung nicht. Selbst, wenn es sie gäbe, müsste sie von der Stadt Rosenheim als Impfzentrum-Betreiberin freigegeben werden. Das sei bisher nicht passiert. Wenn ich der Meinung sei, es gebe die Empfehlung, möge ich sie ihm zeigen.

Der Arzt im Impfzentrum spottet über Spahn

Ich zeigte ihm den Welt-Artikel. Er lachte mich aus und spottete, was Herr Spahn sage, sei nicht wichtig. Der wolle sich nur öffentlich produzieren. An der Stelle würde ich nicht einmal widersprechen, aber leider las er den Rest des Artikels nicht. Er forderte stattdessen, ich möge ihm die Stiko-Empfehlung auf der Seite des Robert-Koch-Instituts zeigen. Während ich googelte und die Seite fand, redete er pausenlos auf mich ein. Der andere der beiden griff derweil zum Handy und sagte, er rufe jetzt bei der Stadt Rosenheim an. Dann sagte er, die Stadt lehne es ab, dass ich jetzt eine zweite Dosis mit mRNA-Impfstoff bekomme.

Damit war der Termin gescheitert. Das Impfzentrum und/oder seine Betreiber haben fachlich falsch entschieden.

Ausnahmezustand wegen Corona – aber Rosenheim findet Bürokratie wichtiger

Die Stiko stellte bereits am 1. Juli (einen Tag vor meinem Termin) fest, dass allein die Erstimpfung vor allem gegen die Delta-Variante nur geringen Schutz biete. Darum sei die Zweitimpfung wichtig. Eindeutig zu empfehlen sei die Kreuzimpfung („heterologisches Impfschema“) – also: erste Dosis Astra, zweite Dosis mRNA. Wörtlich die Stiko auf der Seite des Robert-Koch-Instituts  ( –> Quelle):

Nach aktuellen Studienergebnissen ist die Immunantwort nach heterologem Impfschema (Vaxzevria/mRNA-Impfstoff) der Immunantwort nach homologer Vaxzevria-Impfserie (2 Impfstoffdosen Vaxzevria) deutlich überlegen. Vorbehaltlich der Rückmeldungen aus dem noch zu eröffnenden Stellungnahmeverfahren empfiehlt die STIKO daher für Personen, die Vaxzevria als 1. Impfstoffdosis erhalten haben, unabhängig vom Alter einen mRNA-Impfstoff als 2. Impfstoffdosis mit mindestens 4-wöchigem Impfabstand zur 1. Impfstoffdosis.

Das ist eindeutig. Mit acht Wochen Abstand zur ersten Astra-Dosis wäre ich im Zeitfenster für eine Zweitimpfung mit mRNA-Impfstoff. Exakt das wäre auch die richtige Vorgehensweise.

Die Entscheidung des Impfzentrums Rosenheim, mir die Zweitdosis zu verweigern, war fachlich falsch und gegen die Empfehlung der Stiko. Das ist unverantwortlich. Der Staat zwingt das Land wegen der Pandemie seit über eineinhalb Jahren in den Ausnahmezustand. Impfen gilt nach wie vor als Schlüssel zurück zur Normalität. Zugleich aber verweigert jedenfalls das Impfzentrum Rosenheim das Impfen nach der Empfehlung der dafür berufenen obersten Fachbehörde. Unsäglich.

Ich habe gegen die Verantwortlichen Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht. Der Fall ist nicht ausgestanden.